2.169 km Radreise - als Teil einer Weltreise mit dem Fahrrad - von der Cordillera Blanca über die holprige Panamericana durch die Anden nach Süden über Cerro de Pasco nach Ayacucho, dann hinunter an die Pazifikküste nach Pisco und per Boot zu den Islas Ballestas, dann weiter nach Huacachina zum Sandboarden, per Flugzeug über die Nazca-Linien, wieder hoch in die Anden nach Cuzco, per Bus nach Arequipa und zum Canon del Colca, zu Fuß nach Machu Picchu und dann weiter übers Altiplano zum Titicaca-See an der Grenze zu Bolivien.
01.08. - 09.09.2006 / 40 Tage
2.169 km
22.754 Höhenmeter
Höchster geradelter Punkt: 4.746 m
Bericht hinter den Fotos. Hier direkt zum Bericht!
Nach insgesamt über 70 Stunden Busfahrt durch den Norden Perus und Ecuador war ich Anfang August wieder in Huaraz in der Cordillera Blanca, wo mein Rad schon auf mich wartete. Endlich, nach fast einem ganzen Monat Radelpause, trat ich wieder in die Pedale. Es war ein tolles Gefühl! Über hohe Pässe, teils über 4.600 m fuhr ich nach Osten ins Landesinnere. Anfangs noch asphaltiert, zwang mich die Piste schon bald über Tage ins Schneckentempo, da nur noch aus spitzem Fels, Staub und grobem Kies bestehend. Unterkünfte wurden wieder rar, so dass ich u.a. in einem Dorffestsaal übernachtete.
Genau ein Jahr lang war ich nun unterwegs, war über 17.500 km gefahren, hatte 19 mal eine Landesgrenze überquert, 13 Länder besucht und war fast 120.000 Höhenmeter gefahren. Ein besonderer Tag? Nein, aber irgendwie doch.
Die folgenden Tage bestanden aus anstrengendem Extrem-Radeln in extremer Höhe bergauf und bergab durch atemberaubende Andenlandschaften. So fuhr ich im Schneegestöber in die höchste Stadt (ihrer Größe) der Erde ein, nach Cerro de Pasco auf 4.330 m. Bis nach Ayacucho gings wieder tagelang über übelste Kies- und Felspiste. Ich entschloss mich dort, einen Abstecher an die Küste zu machen und so ging es anstrengend auf den bislang höchsten Pass auf 4.746 m. Eine im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Angelegenheit! Ewig gings rauf und runter, immer oberhalb von 4.000 m, bis es endlich an eine 4.000 Höhenmeter-Abfahrt runter an die Küste nach Pisco ging!
Bekannt für Heerscharen von Seevögeln, Pinguinen, Pelikanen und Seerobben, fuhr ich mit einem Boot raus zu den Islas Ballestas, um mir die Tiere mal aus der Nähe anzusehen. Aufgrund meterdicken Guanos ein ziemlich stinkender, aber doch beeindruckender Anblick. Hier kam ich dann auch endlich mal wieder unter Leute!
Nach ein paar Happy-Hour-Cervezas fuhr ich am nächsten Tag dann aber doch weiter nach Huacachina, denn hier wartete... Sand! Sand, wohin das Auge auch blickte. Huacachina, eine Oase, umgeben von riesigen und endlosen Sanddünen, ist das Mekka zum Sandboarden schlechthin! Und genau das taten wir natürlich dann auch! Mit einem überdimensionierten Beach-Buggy fuhren wir zu siebt im Achterbahntempo in die endlose Sandwüste hinein, stoppten immer mal wieder für eine Abfahrt auf dem Sandboard, bevor es kurz nach Sonnenuntergang zurück in die Oase ging. Der absolute Wahnsinn! So blieb ich gleich noch einen Tag länger und lieh mir mit Micha, einem deutschen Studenten aus Lima, ein noch besseres Board. Stundenlang kletterten wir die höchste Düne rauf und rasten sie wieder runter, bis uns der Sand im wahrsten Sinne des Wortes aus den Ohren rauskam. Und er war nicht nur da...
Ich hätte das noch tagelang machen können, aber 150 km weiter südlich warteten die berühmten Nazca-Linien auf meinen Besuch. Aber um sie zu sehen, muss man schon über sie drüberfliegen. Also tat ich das dann auch! Mit einer Cessna gings über eine halbe Stunde lang über die berühmten Figuren und die langgezogenen Linien. So wirklich einig ist man sich bis heute nicht, wozu die 800 Linien und 300 Figuren in die Wüste gescharrt wurden. Landebahnen für Außerirdische, astronomischer Kalender? Vermutlich wohl eher eine gigantische Karte und Abbild möglicher Wasserwege, durch die in Verbindung mit einer Art Wasserverehrungskult endlich wieder Wasser in die Dürre herbeigeführt werden sollte.
Es ging wieder hinauf in die Berge, ins Inland nach Abancay und von dort aus weiter nach Cuzco, dem Herzen des einst riesigen Inka-Imperiums. Eigentlich wollte ich hier Brit und Franziska treffen, mit denen ich in Australien zusammen gearbeitet hatte, aber die beiden hatten gerade eine 8-Tages-Tour in den Dschungel gebucht, also verschoben wir das Wiedersehen. Da ich aber weder Lust hatte, alleine nach Machu Picchu aufzubrechen, noch acht Tage lang in Cuzco zu warten, und da in Arequipa gerade Dan und Griffo aus Australien waren, die ich in Pisco kennengelernt hatte, beschloss ich kurzerhand, mit dem Bus nach Arequipa zu fahren, um die beiden zu treffen und eine Tour in den nahegelegenen Canon del Colca zu machen, einem der tiefsten Canyons der Erde. Gesagt, getan. Nachdem ich mir eine kostenlose Gelbfieberimpfung und eine sündhaft teure Auffrischung meiner Tollwutimpfung besorgt hatte und ich ausgiebig die schönen engen Gassen von Cuzco erkundet hatte, gings über Nacht nach Arequipa.
Ich schlenderte stundenlang durch die Klosteranlage Santa Catalina, eine bis vor kurzem verschlossene geheimnisvolle Stadt innerhalb der Stadt mit einer unglaublich fesselnden Atmosphäre, die erstaunlicherweise sogar dazu führte, dass ich mir hätte vorstellen können, hier als Nonne zu leben... So weit kam es zum Glück nicht, stattdessen traf ich mich abends mit Dan, Griffo, Robbie aus Neuseeland und Bartek aus Polen auf ein paar Bier. Irgendwie verabredeten wir uns alle für irgendwo wieder, bevor ich für zwei Stunden Schlaf ins Bett fiel, denn um 1.00 Uhr nachts wurde ich für meine Canyon-Tour abgeholt. Mit Nathalie und Jutta aus Deutschland und unserem eher überflüssigen aber netten Guide Gladis gings per Bus zum und zu Fuß in den Canyon. Er war zwar tief, aber alles andere als spektakulär. Aber die Oase mit Palmen und Pools am Fuße des Canyons entschädigte etwas für die magere Aussicht. Am nächsten Tag gings zum Cruz del Condor, einer Stelle, an der Kondore jeden Morgen die Thermik zum Aufsteigen aus dem Canyon nutzten und spektakulär nah herangeflogen kamen! Nach ein paar Stunden Faulenzen in den heißen Quellen von Chivay gings dann zurück nach Arequipa und noch am gleichen Abend mit Nathalie und Jutta nach Cuzco zurück.
Nach einem Ruinen-Erkundungs-Tag mit den beiden um Cuzco herum traf auch Bartek in Cuzco ein und so beschlossen wir, zu viert nach Machu Picchu zu gehen. Da der Touristenzug mit über 70 US-Dollar völlig überteuert war und nun mal keine Straße dorthin führte, entschieden wir uns, über die Bahnschienen, also wie im Film "Stand-by-me", dorthin zu laufen. Da Brit und Franziska gerade erst aus dem Dschungel wiedergekommen waren und lieber mit dem Fahrrad Richtung Machu Picchu fahren wollten, blieb es leider bei einem kurzen Wiedersehen, aber wir waren uns sicher, uns irgendwo in Bolivien wiederzutreffen.
Eine üble Bus-Holper-Fahrt brachte uns über Nacht nach Santa Teresa, wo wir nach einem Bad in den heißen Quellen mit einer Seilzuggondel über den Urubamba-Fluss übersetzten. Nach etwa fünf Stunden Wandern über die Schienen erreichten wir (kostenlos!) Aguas Calientes, den kleinen Ort unterhalb der Ruinenstadt. Weil es Nathalie nicht gut ging, nahmen die beiden am nächsten Morgen den ebenfalls überteuerten Bus rauf, während Bartek und ich im Dunkeln den steilen Pfad hinaufstiegen und pünktlich zum Sonnenaufgang die noch in Nebelschwaden gehüllten Ruinen zum ersten Mal sahen: ein unglaubliches Bild, mystisch und geheimnisvoll lag sie da, die so lange unentdeckt gebliebene Stadt der Inkas, von der man noch heute nicht weiß, wozu sie gedacht und benutzt wurde!
Während der Nebel sich langsam lichtete, bestiegen wir den markanten "Machu-Picchu-Berg" Huayna Picchu, von dem man eine atemberaubende Aussicht auf die Inkastadt hatte. Nachdem wir durch die Ruinen geschlendert waren und dabei sogar noch Natalie und Fabian trafen, mit denen ich in Huacachina sandboarden gewesen war, saßen wir nachmittags auf einer abgelegenen Inkaterrasse mit Blick auf die Ruinen. Manche Menschen sehen im Ayers Rock nur einen Felsen, in Angkor Wat nur einen Tempel, im Great Barrier Reef nur Korallen und in Machu Picchu nur Ruinen. Aber da ist so viel mehr zu sehen, man muss nur die Augen schließen! Und das tat ich und ich musste lächeln. Es war einer dieser Augenblicke, die man sein ganzes Leben lang nicht vergisst. Denn es war ganz still und ich saß mit baumelnden Beinen auf einer Inkaterrasse, ganz hoch oben über Machu Picchu!
Weils Nathalie immer noch nicht besser ging und die beiden zudem möglichst schnell weiter zum Titicaca-See wollten, nahmen sie am nächsten Tag den Zug zurück, während Bartek und ich uns, diesmal in die andere Richtung, auf den 42 km langen Weg über die Schienen nach Ollantaytambo machten. Es goss zwei Stunden lang in Strömen, aber wozu eine Regenjacke mitnehmen... Klatschnass überquerte ich Bahnschwelle um Bahnschwelle und wusste, dass dies der angemessene Weg gewesen war, sich einem Ort wie Machu Picchu zu nähern und ihn wieder zu verlassen!
In Cuzco verabschiedete ich mich dann auch von Bartek, wenn auch nur für kurze Zeit, denn am Titicaca-See oder spätestens in Bolivien wollten wir uns wiedersehen.
Mir kamen nun auch wieder andere Radler entgegen, so z.B. Dirk und Petra aus Deutschland und der Schweiz. Man fragt dann so: "Und, fährst du bis runter?" Und mit einem tiefen Lächeln in mir drin antworte ich: "Ja! Und ihr, fahrt ihr bis hoch?" Und unser aller glückliches Lächeln dabei verrät nichts von der Ungeheuerlichkeit, von der wir da gerade gesprochen haben. So wünschte ich den beiden viel Glück auf ihrem Weg nach Alaska und sie mir auf meinem zum Kap Horn. Doch am nächsten Tag traf ich dann auf die wirklich bewundernswerten Radler: Familie Perus aus Frankreich. Mit drei Kindern, zwei Tandems und einem Kinderfahrrad, die Taschen voll mit Schulbüchern, waren sie dabei, zu fünft ein Jahr lang um die Welt zu radeln! Ich war tief beeindruckt, wie sie das meisterten und passte mich für ein paar Stunden dem langsamen und von vielen Stopps begleiteten Tempo an. Eine tolle Begegnung! Und vielleicht würden wir uns irgendwo weiter südlich wiedertreffen.
Abends war ich dann am 3.810 m hohen Titicaca-See, angeblich höchster beschiffbarer See der Erde, was aber Quatsch war, da es genug kleinere höhere gab, auf denen man auch mit Booten fahren konnte. Von Puno aus besuchte ich die schwimmenden Uros-Inseln und weil ich dazu, wie immer, die billigste Möglichkeit wählte und somit auf dem wohl ältesten Kahn im ganzen Hafen landete, wunderte es mich auch nicht, dass wir mitten auf dem Titicaca-See mit Motorschaden liegenblieben. Nach Stunden gings dann doch mit einem anderen Boot weiter. Auch wenn vom ursprünglichen Leben der Uros auf diesen Schilf-Inseln nicht mehr viel zu sehen war, wars trotzdem ganz nett.
Bartek, den ich noch morgens am Pier getroffen hatte, hatte dummerweise eine 2-Tages-Tour gebucht, also verabredeten wir uns für das Südende des Sees in Bolivien. Und so radelte ich am nächsten Tag los, der bolivianischen Grenze entgegen. Mit dem Erhalt des Ausreisestempels ging meine unglaubliche Zeit in Peru zu Ende. Nie hätte ich gedacht, dass ich hier so lange bleiben würde. Es war fast schade, dass ich nun gehen würde, aber es war auch Zeit für etwas Neues: Bolivien wartete!