English

Nepal per Rad

1.249 km Radreise - als Teil einer Weltreise mit dem Fahrrad - von der indischen Grenze nach Lumbini, in den Chitwan Nationalpark, durchs Terai nach Osten und nach Norden über die Berge mit einem Blick auf den Mount Everest, dann nach Kathmandu, nach Patna und Bhaktapur, zurück nach Westen über Bandipur nach Pokhara mit Blick auf Dhaulagiri und Annapurna, zurück ins Tiefland und nach Westen bis zur indischen Grenze.


Reiseroute

Daten

24.04. - 21.05.2007 / 28 Tage

1.249 km

11.043 Höhenmeter

Höchster geradelter Punkt: 2.488 m

Reisebericht

Bericht hinter den Fotos. Hier direkt zum Bericht!



Gefällt dir Nepal per Rad?

Teile Nepal per Rad!



Fotogalerie


Bericht

Mein 30-Dollar-Visum hatte ich schnell im Pass und als ich auf die Nebenstraße nach Lumbini abbog, da war tatsächlich Ruhe! Ruhe, die es in Indien nur selten gegeben hatte. Douglas hatte ich leider knapp verpasst. Er war bereits am Tag vorher von Kathmandu nach Delhi geflogen. Als Buddhas Geburtsstätte war Lumbini einer der bedeutendsten religiösen Orte dieser Erde. Es war ein friedlicher und ruhiger Ort, mit dutzenden Klöstern und Gärten, teils im Wald, nahe dem Felsen, auf dem Buddha wohl geboren wurde.

 

Nach zwei Tagen war's genug mit Ruhe und ich machte mich auf den Weg nach Osten. Von schneebedeckten Achttausendern war natürlich noch nichts zu sehen. Südlich der ersten Himalaya-Ausläufer gings im mehr oder weniger flachen Flachland, dem Terai, in den Royal Chitwan Nationalpark, eines der letzten Rückzugsgebiete des vom Aussterben bedrohten Indischen Einhorn-Rhinozeros und Heimat für erstaunlich viele Tiger, Leoparden und Elefanten. Natürlich wollte ich unbedingt eines der Nashörner sehen, die Sichtung eines Tigers war noch viel unwahrscheinlicher. Mit den Guides Anil und Hemant gings tiefer in den Park, nur mit zwei Bambusstangen gegen eventuelle Nashorn- oder Tigerangriffe bewaffnet. Stundenlang schlugen wir uns erfolglos durch dichten Wald und Steppe mit mannshohem Gras, alles in brütender Hitze. Als ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, da stand es auf einmal vor uns, nur etwa 200 m entfernt: ein riesiges Einhorn-Rhino! Angeblich sollte es als Schutz bei einem Angriff ausreichend sein, auf einen Baum zu klettern, also hielten wir uns in der Nähe von drei Gewächsen auf, die ich eher als Strauch bezeichnet hätte, aber es gab sonst nichts anderes weit und breit. Dann verließen wir den "Schutz" und folgten dem Nashorn leise und mit Sicherheitsabstand zu einem Wasserloch, wo dann sogar noch ein zweites auf uns wartete. Um richtig nah an sie heranzukommen, hätte man allerdings auf dem Rücken eines Elefanten sitzen müssen.

 

Also machte ich das und in einem anderen Teil des Parks trafen wir dann sogar auf insgesamt vier Nashörner, eines davon ein Junges. Und weil ich dem Elefanten so dankbar war, dass er mir dieses hautnahe Wildlife-Erlebnis ermöglicht hatte, bin ich dann am nächsten Tag mit ihm im Fluss baden gegangen. Ich schwamm mit ihm, schrubbte und wusch ihn, tauchte auf seinem Rücken mit ihm unter und ließ mich von ihm mit zahllosen Rüsselladungen Flusswasser duschen. Wahnsinn! Ich hätte das nicht nur wegen der Affenhitze noch ewig machen können, der Elefant scheinbar auch, aber irgendwann befand sein Herr leider, dass es jetzt genug sei.

 

Ein Stück gings noch weiter im Terai nach Osten, bevor ich dann bei Hetauda die alte Straße nach Kathmandu in Angriff nahm, die aufgrund einer neueren und schnelleren Straße weiter westlich kaum noch benutzt wurde. Etliche Stunden gings in zahllosen Serpentinen und Haarnadelkurven rauf in die Berge, bis auf knapp 2.500 m. Ich übernachtete einige Kilometer weiter in Daman, das berühmt war für das angeblich spektakulärste Himalaya-Panorama Nepals. Bei gutem Wetter und guter Sicht ließ sich wohl die gesamte Himalaya-Haupt-Kette von Dhaulagiri bis Mount Everest einsehen, ein fast 180-Grad-Mega-Panorama! Wie gesagt, bei guter Sicht. Aber, und das war mir natürlich bereits in Indien bewusst gewesen, der Monsun stand kurz bevor und das hieß in Nepal normalerweise alles andere als gute Sicht und alle Gipfel lagen üblicherweise in dichten Wolken. Die Luft war meist staubgeladen von der langen Trockenzeit und es regnete auch immer mal wieder. So war es denn auch heute der Fall. Ich erlebte die ersten Regentropfen seit Buenos Aires in Argentinien, in Form von donnerndem und blitzenden Gewitter über Stunden in der vorherigen Nacht und einzelnen Schauern bei der Auffahrt zum Pass. So war denn wie erwartet fast nichts von schneebedeckten Achttausendern zu sehen.

 

Wegen des Wetters hatte ich beschlossen, nicht trekken zu gehen, auch wenn man das wahre Nepal wohl eben nur tief in den Bergen jenseits aller Straßen erleben konnte. Auch die Besteigung eines 7.000ers strich ich von meiner Liste, wegen Wetter und horrenden Climbing-Permit-Gebühren. Da ich aber nun, wenn ich schon mal in Nepal war, wenigstens ein Mal den Mount Everest sehen wollte, stand ich am nächsten Morgen um 5.00 Uhr auf und kletterte zum Sonnenaufgang auf den Aussichtsturm. Man hatte mir wenig Hoffnung gemacht. Zu dieser Jahreszeit sei es höchst unwahrscheinlich, ihn zu Gesicht zu bekommen.

Es war wie Magie! Ich stand auf diesem Turm, unter einem kristallklaren Himmel, 360 Grad bis zum Horizont nicht der kleinste Schleier einer Wolke zu sehen! Und dann brachen die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Mount Everest hervor, tauchten den Horizont in ein feuergelbes Lichtband und zeichneten die Silhouette der höchsten Gipfel dieser Erde! Es war atemberaubend! Ich sah ihn mir an, er war zwar weit weg, aber das war mir egal. Näher könnte man dem Himmel auf dieser Erde nicht kommen, und wer weiß wer weiß, vielleicht eines Tages...

 

Über endlose Serpentinen ging es über Stunden hinunter zur Hauptstraße und wiederum in zahllosen Haarnadelkurven mit starkem Verkehr hinauf ins Kathmandu Valley. Ich bezog ein Zimmer in der Freak Street, der legendären Guesthouse-Straße der Überlandreisenden der 60er und 70er Jahre mitten in der Altstadt. Ich verbrachte ganze vier Tage von morgens bis abends nur mit Besorgungen und stundenlanger Arbeit im Internet für die verschiedensten Dinge, ohne auch nur irgendetwas von Kathmandu gesehen zu haben. Ich tauschte die Vorderradfelge, die nach nunmehr über 31.000 km schon ziemlich durchgebremst war, aus, um einem Bruch irgendwo in den Bergen zuvorzukommen.

 

Endlich war dann etwas Zeit, um über den berühmten Durbar Square in Kathmandu und um den beeindruckenden Swayambhunath Stupa zu streifen. Ich fuhr mit dem Bus zum imposanten Bodhnath Stupa, einem der größten der Erde, und umkreiste ihn, natürlich im Uhrzeigersinn, mit zahllosen tibetischen Pilgern. Ich fuhr nach Patna und nach Bhaktapur, aber da der Himmel andauernd bedeckt war und es spätestens ab frühem Nachmittag grundsätzlich zu regnen anfing, hielt sich mein Spaß am Sightseeing doch sehr in Grenzen. Mein Tele-Zoom-Objektiv hatte seinen Dienst nun nahezu eingestellt, so dass ich den ganzen Spiegelreflexkram wohl von Indien aus nach Hause schicken würde.

 

Aber es passierte etwas, über das ich mich sehr freute: Ich würde mich mit Hugo aus Belgien, den ich im Süden Indiens zum ersten Mal getroffen hatte, Ende Mai im indischen Himalaya in Manali treffen, um gemeinsam die Straße mit den beiden höchsten Pässen der Erde zu fahren! So war es nicht nur das Wetter, das mich aus Kathmandu forttrieb. Im Regen fuhr ich auf der einzigen Straße, die, abgesehen vom Friendship-Highway nach Tibet, das Kathmandu-Tal mit der Außenwelt verband, zurück nach Westen. Ich kämpfte mich über mehr als siebzig ziemlich steile Haarnadelkurven ins idyllische, abgelegene und traditionell gebliebene Bergdorf Bandipur, blieb zwei Tage, erzählte mit den Kindern und streifte, meist in Begleitung eines Rudels von ihnen, durchs Dorf, zumindest wenn es nicht gerade regnete...

 

100 km weiter westlich in Pokhara versuchte ich mir vorzustellen, wie sich die schneebedeckten Gipfel der Annapurna-Range perfekt in Pokhara's idyllischem Bergsee spiegeln würden, wenn sie denn nicht in Wolken hängen würden oder es nicht gerade in Strömen gießen würde. Ich cancelte Rafting, Paragliding und Trekking und machte mich auf den Weg über die 160 km lange kurvige Passstraße über die Berge wieder hinunter ins Terai. Nach 40 km brach die erst in Ushuaia ganz im Süden Südamerikas in Patagonien neu gekaufte Hinterradfelge. Zurückzufahren, obwohl es fast nur bergab gegangen wäre, hatte ich keine Lust, also strich ich den Besuch des Ortes Tanzen auf halber Strecke und hoffte, dass die Felge bis hinunter ins Terai noch durchhalten würde. Tat sie auch.

 

So setzte ich mich am nächsten Tag mit Rucksack und meinem Hinterrad für zehn Stunden in einen Bus und fuhr zurück nach Kathmandu zu Sonam's Radladen, in dem seit Jahren alle Fernradler aus dem Süden oder aus Tibet kommend Station machten. Nach einer Nacht in Kathmandu gings wieder zehn Stunden zurück nach Butwal, wo mein Rad auf mich wartete und mit einer blauen und einer roten Felge gings dann auf der einzigen das Land durchquerenden Straße einige Tage durchs Terai (auch hier oft weniger flach, als es der Name vermuten lässt) an die Westgrenze Nepals, bis nach Mahendranagar.

 

Somit war ich fast alle Hauptstraßen Nepals gefahren. Der größte Teil des Landes lag weit entfernt von der nächsten Straße und von diesem Nepal hatte ich quasi nichts gesehen. Um den höchsten Gipfeln dieser Erde wirklich nahe zu kommen, musste man zwei bis vier Wochen Trekking einplanen und das war es mir angesichts des Wetters einfach nicht wert gewesen. So gab's also einen Grund um wiederzukommen. Ganz bestimmt!


Kommentare: 0