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Australien per Rad

6.575 km Radreise - als Teil einer Weltreise mit dem Fahrrad - von Sydney entlang der Ostküste nach Norden bis nach Townsville in Queensland, mit Boot zum und mit Helikopter über das Great Barrier Reef, dann immer nach Westen durchs Outback auf den Barkly Highway im Northern Territory und auf den Stuart Highway nach Süden nach Alice Springs. Von dort aus noch zum Uluru, den Kata Tjuta, dem Kings Canyon und über den Mereenie Loop zurück nach Alice Springs.


Reiseroute

Daten

05.03. - 11.06.2006 / 99 Tage

6.575 km

24.429 Höhenmeter

Höchster geradelter Punkt: 771 m

Reisebericht

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Fotogalerie


Bericht

New South Wales

(05.03. - 17.03.2006, 13 Tage, 940 km) Vieles ist anders hier in Down Under, dem Land der Meat Pies, des Vegemite, der Barbecues, der überlangen Trucks und dem Easy-Going. Nach sieben Monaten Asien muss man sich erst mal daran gewöhnen, dass Ampeln nicht als Anregung angesehen werden und sogar Fußgänger bei Rot brav stehen bleiben. Nachts und sogar schon abends haben die Geschäfte und fast alles andere auch einfach geschlossen. Auf der Straße gibts keine Stände mehr mit billigem Essen. Und alle Radfahrer tragen einen Helm! Allerdings kann man hier endlich mal wieder alle Schilder lesen und man wird auf der Straße nicht nur nicht mehr hemmungslos begafft, sondern sogar gar nicht erst als Ausländer erkannt!

Nach drei Tagen in Sydney sollten sich hier Steffis und meine Wege trennen und so startete ich am 9. März nach Norden, über die Harbour-Bridge aus dem endlosen Großstadtgewühl Sydneys hinaus. In New South Wales sah ich denn nicht viel mehr, als den Pacific Highway No. 1, der fast immer in deutlichem Abstand zur Küste nach Norden und mit über 14.500 km auch ein Mal ganz rum führte. Viel Verkehr, überlange Trucks und immer wieder autobahnähnliche Straße mit mehreren Fahrspuren machten daraus oft kein wirkliches Radelvergnügen. Und wenn ich denn mal einen Abstecher zum Meer machte, dann bedeutete das oft noch steiler rauf und runter und lange Umwege. So verbrachte ich die Tage fast ausschließlich auf dem Rad.

Schon am ersten Tag fuhr ich mit meinem linken Fuß nur haarscharf an dem züngelnden Kopf einer wirklich erschreckend riesigen schwarz-roten Schlange vorbei, was maßgeblich dazu beitrug, dass ich in den ersten Tagen nie wild, sondern nur auf Campingplätzen zeltete. Im berühmten Byron Bay machte ich nur ein paar Minuten Pause, bevor ich am 17. März an der Gold Coast die Grenze zu Queensland überquerte.

Queensland

(17.03. - 16.04.2006, 31 Tage, 2.849 km) Nachdem ich die Grenze zu Queensland überquert hatte, fuhr ich auf dem Gold Coast Highway zu DER Partyhochburg der Ostküste schlechthin, dem Mekka aller Schulabschlussfeiern: Surfers Paradise! Mit dem höchsten Wohngebäude der Erde und anderen Hochhäusern ziemlich zugebaut, konnte mich der ansonsten sehr schöne Strand allerdings nicht zum Bleiben bewegen und nach Party all night long war mir zu dem Zeitpunkt auch nicht. Also gings weiter auf dem inzwischen zum achtspurigen Motorway mutierten Pacific Highway verbotenerweise, aber anders gings nicht, ziemlich stressig 70 km ins Zentrum von Brisbane. Schon in Asien wollte eines meiner beiden Foto-Objektive nicht mehr ganz so wie es sollte, leider war aber Samstag und da hatten selbst in der drittgrößten Stadt Australiens die meisten Geschäfte geschlossen. Trotzdem blieb ich übers Wochenende und fuhr dann, allerdings ohne neues Objektiv, weiter über die Sunshine Coast, wo ich einen ehemaligen Arbeitskollegen aus Deutschland mit einem Kurzbesuch beglückte, Richtung Fraser Island.

 

Dank Ausläufern des Cyclones Larry, der im Norden Queenslands übel wütete, regnete es nun aber schon seit Tagen fast ununterbrochen, zumindest gabs kaum Sonne, so dass ich die Insel rechts liegen ließ und auf dem Bruce Highway an der Küste weiter nach Norden fuhr. Eines Abends bei der Zeltplatzsuche hatte ich das besondere Glück, ein Fleckchen abseits der Straße am Ufer eines Creeks, eines kleinen schattigen, mehr stehenden als fließenden Gewässer, zu finden. Nachdem ich dann munter am Ufer gekocht, gegessen und alles samt mir selbst ins Zelt gepackt hatte und es längst dunkel war, las ich noch etwas im Reiseführer. Nicht dass ich es nicht gewusst hätte, aber man konnte ja nicht an alles denken! Nun, da stand: In Flüssen, Seen und Creeks im Norden Queenslands leben Krokodile. Insbesondere in Küstennähe. Und dieser Creek war verdammt nah an der Küste! Schweißgebadet nicht nur der Hitze wegen überlegte ich, ob eines dieser Viecher nun eher aus dem Wasser geschossen käme, wenn ich im Dunkeln das Zelt wieder abbauen und weiter wegsetzen würde, oder wenn ich so verlockend nah hinter der dünnen Zeltwand am Ufer liegen bleiben würde. Ich hielt ersteres für wahrscheinlicher und verbrachte meine bislang schlimmste, natürlich schlaflose Zeltnacht... Also, es kam kein Krokodil und wahrscheinlich hat dieser Creek auch noch nie eins gesehen, aber bei weitem nicht nur ein Mal glaubte ich, eins gehört zu haben...

 

In Mackay wartete ich dann zwei Tage auf das langersehnte neue Objektiv, im Voraus telefonisch geordert, bis ich dann erfuhr, dass es, "sorry so much", das Lager bislang noch nicht einmal verlassen hatte! Also wieder ohne weiter. In Airlie Beach hatte es dann endlich geklappt mit dem Objektiv und hier sollte auch noch viel mehr klappen! Immer und immer wieder regnete es, jeden Morgen hatte ich das Zelt klatschnass ein- und abends wieder klatschnass ausgepackt. Hier in Airlie Beach gabs nun endlich zwei volle Tage Sonne und blauen Himmel pur. Die Whitsunday Islands vor der Küste und das Great Barrier Reef weit draußen hinter dem Horizont, vor allem wegen diesem letzteren, größten lebenden Gebilde der Erde war ich den weiten Weg hierher geradelt. Also fuhr ich morgens mit einem Motor-Katamaran-Cruiser mit ein paar Stopps durch die Whitsunday Islands und dann raus, zwei Stunden lang dem Horizont entgegen zur Reefworld Plattform, von wo aus ich das Hardy Reef erst mal beim Tauchen quasi von unten erkundete. Das war schon sehr schön, aber wie soll man das Great Barrier Reef anders wirklich erfassen können, als von oben! Und so begann eines der spektakulärsten Erlebnisse der gesamten bisherigen Reise! Mit einem Helikopter, natürlich hatte ich mir den Platz neben dem Piloten reservieren lassen, flog ich über das Hardy und das Hook Reef und werde es wohl niemals vergessen! Bis zum Horizont nicht endende Riffe in türkisem Wasser, unter mir bizarre Strukturen, zahllos und manchmal zufällig kurios, wie beim berühmten Heart Reef. Eine eigene Welt, unvorstellbar riesig und unendlich schön! Auf dem Weg zurück, vorbei am Traumstrand Whitehaven Beach in den Whitsundays, saß ich oben auf dem Sonnendeck und ließ mir die Abendsonne ins Gesicht scheinen. Dass es nachts wieder mal anfangen sollte zu regnen, auch am nächsten Morgen noch nicht wieder aufgehört haben würde und alles überschwemmt sein würde, sollte mir absolut gar nichts ausmachen! Ein magischer Tag!

 

In Townsville (und auch davor...) regnete es mal wieder, oder besser gesagt "immer noch", und so langsam langte es mir dann doch gewaltig mit dem Wetter, den immer feuchten Sachen und den zumindest allabendlichen Sturzgüssen und so wollte ich nicht mehr die letzten Kilometer bis Cairns hochfahren, sondern hier nach Westen starten. Daher ging ich trotz Wolken und Nieselregen noch drei Mal im Meer schwimmen, dann setzte ich mich an den nahezu verwaisten Strand, drehte die Musik in den Kopfhörern voll auf und verabschiedete mich vom Meer!

 

Nach über 2.600 km bog ich also vom Highway No. 1 ab und machte mich auf den langen und nach all den Wolken und dem Regen hoffentlich trockenen und staubigen Weg nach Westen ins Outback, ins Herz des roten Kontinents! Nachdem ich die Great Dividing Range, die angesichts der bewältigten Pässe in Indonesien, Laos und China hier nun eigentlich wirklich nicht als "great" zu bezeichnen gewesen wäre, überquert hatte, sah ich, so quasi von oben, ganz weit hinten am Ende des Wolkenmeeres einen Streifen blauen Himmels über endloser Ebene, endlich!

 

Ein paar Schauer gabs dann die Tage doch noch, ansonsten war ich seit diesen Tagen umgeben von unvorstellbaren Weiten mit immer blauem Himmel! Ich fuhr Straßen, die bis zum Horizont führten, dahinter wieder und wieder. Oft gab es stundenlang nicht die kleinste Kurve. Nachts leuchtete die Milchstraße über mir so hell, als hätte jemand ein Meer von unzählbaren Lichterketten eingeschaltet! Oft war es heiß, nach über 100 km war das Fahren dann nicht mehr so richtiger Spaß. Nicht wegen der Temperatur, sondern wegen fehlendem Schatten. Da war halt oft nichts, kein Baum, kein Strauch, keine Wolke!

 

Trotzdem fuhr ich im Schnitt knapp 150 km am Tag, was hätte es auch sonst zu tun gegeben. Doch die wirkliche Qual beim Radfahren im Outback war nicht die Hitze, es waren die Fliegen! Denn es war nicht wie in Europa, man wedelte mit der Hand und weg waren sie. Nein, hier waren es oft hunderte, die um einen herumsurrten und einem hemmungslos in die Augen, die Ohren und die Nase krabbelten, sobald man stehenblieb! Während der Fahrt waren es nur so ein paar, bis zu etwa zwanzig. Man konnte dann entweder durchgehend mit wedelnder Hand fahren oder sie einfach akzeptieren und versuchen sie zu ertragen. Eine verdammt harte Probe, da besonders mich sowas sonst sehr schnell in den Wahnsinn trieb!

 

So fuhr ich denn Tag für Tag immer Richtung Westen, der Abendsonne entgegen, bis auf einmal kurz vor Cloncurry, einer winzigen Ansammlung von einigen Häusern, etwas Außergewöhnliches passierte: Ich hatte gerade mein Zelt neben der Straße an einer Sitzgruppe einer Haltebucht aufgebaut, da fuhr ein Wagen mit Fahrrad auf dem Heckträger vorbei, stoppte, wendete und hielt neben mir. Und wer stieg da aus dem Auto? Tilmann Waldthaler! Viele Reiseradler werden ihn wohl kennen. Seit über 35 Jahren mehr auf Mountainbikereisen der extremeren Art unterwegs, hatte er Bücher und zahllose Berichte veröffentlicht und letztlich waren es auch seine Bücher gewesen, die mich teils mit zum Radreisen gebracht hatten! Aus den Dolomiten nach Australien ausgewandert, natürlich per Rad, lebte er nun in Cairns. Zwei Stunden plauderten wir über alles Mögliche, seine Pläne, meine Pläne und was bei uns so in der Vergangenheit passiert war. Eine tolle Begegnung! Und wir sollten uns einige Zeit später im Northern Territory noch einmal begegnen.

 

Über Mount Isa gings weiter nach Westen und hier begann dann der Teil der Landkarte, auf dem die in Abständen von oft weit mehr als 150 km eingezeichneten "Orte" keine Orte mehr waren, sondern nur noch Roadhouses, also auf deutsch gesagt Tankstellen. So hieß es ordentlich Wasser und Verpflegung laden und weiter durch die Einsamkeit! Immer die seltenen entgegenkommenden Fahrzeuge grüßend, egal ob Camper, Jeep oder Roadtrain mit bis zu vier Anhängern, fuhr ich auf dem letzten Abschnitt in Queensland sogar mehr als 200 km an diesem Tag, eine bislang undurchbrochene Marke!

 

Dann doch ein ganz kleines bisschen kaputt baute ich mein Zelt genau auf der Grenze auf. Es war Ostersonntag und auf dem Schild neben meinem Zelt hieß es "Welcome to the Northern Territory". Außer meinem Zelt, diesem Schild und der Straße war da nichts, kein Baum, kein Strauch, keine auch nur noch so kleine Erhebung, bis zum Horizont, in alle Richtungen, einfach nichts, nur Gras! Es gab keine Geräusche und der Horizont zog sich in einem schnurgeraden 360-Grad-Kreis um das Schild, mein Zelt und mich. Es war, als würde man ganz alleine auf einem fremden Planeten stehen, der Wahnsinn! Morgen früh würde es weiter ins Northern Territory gehen!

Northern Territory

(17.04. - 10.06.2006, 55 Tage, 2.786 km) Auf den nächsten 450 km von der Grenze zu Queensland nach Westen bis zur Kreuzung mit dem Stuart Highway gab es absolut nichts außer einem einsamen Roadhouse, dem Barkly Homestead. Von dem aus fuhr ich dann nochmals über 200 km an einem Tag, die letzten davon sogar auf sandiger Staubpiste zu den Pebbles, einer den Aborigines heiligen Stätte mit Felsen, die eben wie übergroße Kieselsteine aussahen.

 

Von nun an gings auf dem Stuart Highway Richtung Süden, erstmal nach Tennant Creek, dem einzigen Ort auf der ganzen 550 km langen Strecke bis Alice Springs. Eigentlich wollte ich die örtliche Goldmine mit einer Besichtigung beglücken, aber ich entschied mich um, nachdem sich herausstellte, dass auch sie, so wie schon die in Mount Isa, nur eine mit Millionenaufwand für Touristen extra angelegte Mine war, also eine wie echte, aber eben nicht wirklich echte, eine Fake-Mine sozusagen. An die echte, gut gesicherte Mine war natürlich kein Rankommen. Quasi zur Entschädigung ging ich dann abends zum Bush-Tucker-Abend mit dem Bush-Tucker-Man Jimmy Hooker, einem wirklich liebenswürdigen Urgestein des Outback, genau so, wie man sich so einen Bush-Typen eben vorstellen würde. Am Lagerfeuer gab er dann unzählige Geschichtchen, Gedichte, Witze und Lieder zum Besten. Völlig eingenommen wollte ich gerade "Waltzing Matilda" anstimmen, um die Stimmung zum Überkochen zu bringen, doch da war der musikalische Teil des Abends glücklicherweise vorbei... Wir gingen über zum Bush-Tucker, also Pflanzen und Früchte aus dem Bush, die man essen oder für alles Mögliche andere benutzen konnte. Zum Schluss wurden dann große dicke weiße Maden in der Glut geröstet und umgeben von überwiegend angewiderten Gesichtern hab ich gleich zwei Mal zugelangt, weils tatsächlich richtig lecker war!

 

Weiter gings zu den Devils Marbles, verteilt über eine weite Hochebene liegende unzählige "Felsmurmeln", für die Aborigines die Eier der Regenbogenschlange aus der Traumzeit. Einen Tag später passierte ich das Wycliffe Well Roadhouse, selbsterklärte "UFO-Sichtungs-Hauptstadt Australiens" (auch wenn es keine Stadt sondern nur eine Tankstelle war...). Gleichzeitig bot das Roadhouse die größte Auswahl internationaler Biere in Australien, was wiederum einige der UFO-Sichtungen hätte erklären können... Doch eine ganz andere Erscheinung überholte mich einige Stunden später: Wieder ist es Tilmann Waldthaler und wieder hielten wir am Straßenrand, machten ein paar Fotos und erzählten lange über Radreisen, Bücher schreiben, Sponsoren und alles Mögliche. So z. B. auch darüber, dass ein Roadtrain mit einem Liter Sprit genau 700 Meter weit kommt! Da soll sich nochmal jemand über den Benzinverbrauch seines Autos aufregen...

 

In den nächsten Tagen auf dem Weg nach Alice Springs wurde es dann nachts und morgens doch spürbar kälter. Es war halt Winter und von Tropenklima war auf diesen Breitengraden nun wirklich nichts mehr zu spüren. 18 Tage nachdem ich in Townsville der Ostküste den Rücken gekehrt hatte, rollte ich in Alice Springs ein. Ein paar Tage wollte ich hier bleiben, um meine Weiterreise zu organisieren. Denn nach fast zwei Monaten Australien musste ich doch feststellen, dass Reiseradeln in diesem Land eine ziemlich einsame Angelegenheit sein konnte, besonders wenn man auch noch alleine unterwegs war. Die Entfernungen waren einfach zu groß. Und oft waren tagelang die Gesichter hinter den Windschutzscheiben der seltenen mir entgegenkommenden Fahrzeuge die einzigen Menschen die ich sah. Ich vermisste den Trubel von sieben Monaten Asien um mich herum, die vielen Menschen, das Neue und Fremde jeden Tag, das Entdecken immer wieder anderer Kulturen und Sitten. Ich hatte es unbedingt einmal erleben wollen, wie es war, tagelang dem Horizont entgegen zu fahren, durch endlose Weiten. Es war ein tolles Gefühl, man war frei, glaubte, die ganze Welt nur für sich zu haben, denn es war ja einfach niemand anderes da, nirgendwo bis zum Horizont, egal in welcher Richtung, und auch dahinter und viel weiter dahinter nicht. Aber nun hatte ich es erlebt und nun wars auch genug!

 

So hielt ich am ersten Campingplatz, wo ich auf Brit und Franziska traf, die gerade bei Maui Britz Wohnmobilvermietung angefangen hatten zu arbeiten. Hätte man mir noch einen Tag vorher gesagt, dass ich in Alice Springs keinen Job finden würde, hätte ich noch gesagt "Ja und? Ich will ja auch gar keinen!" Doch kurz entschlossen befand ich, dass es nach neun Monaten fast täglichem Radfahren mal Zeit für eine Pause sei und dass es ja eigentlich auch gar nicht so schlecht wäre, das Flugticket für die Weiterreise durch einen Job zu finanzieren. Toll gedacht, aber bei Maui Britz war zur Zeit keine weitere Stelle frei und so bewarb ich mich von morgens bis abends fast überall in der Stadt, fünf Tage lang erfolglos. In dieser Zeit passierten zwei erstaunliche Dinge: Erstens, es regnete an einem Tag. Und das war ein äußerst seltenes Ereignis in Alice Springs! So selten, dass man, wenn man den Todd River, dessen ausgetrocknetes sandiges Flussbett die Stadt durchquerte, drei Mal mit Wasser gesehen hatte, als Einheimischer galt! Zweitens traf ich Mary von der Ostküste, die mich freudestrahlend aufklären konnte, dass die Schlange, an deren züngelndem Kopf ich an meinem ersten Radtag in Australien nur knapp mit meinem Fuß vorbeigefahren war, eine Redbellyblack Snake war. Und, so meinte sie beschwichtigend, diese Schlange würde nicht zu denen gehören, deren Biss innerhalb von Minuten töten würde. Ich hätte durchaus einige, wenn auch wenige, Stunden Zeit gehabt! Das beruhigte mich dann doch ganz ungemein...

 

Nach diesen fünf Tagen klappte es dann endlich: Ich hatte meinen Job! Bei Apollo Motorhome Rentals bereitete ich von nun an täglich Wohnmobile, Camper, Allradwagen und normale Mietwagen auf den neuen Mieter vor. Also hieß es sauber machen, waschen, Ausrüstung kontrollieren und austauschen, Gas, Wasser und Motor checken, hin- und herfahren, auch mal zum Kunden bringen oder abholen und Führungen durch die Wohnmobile geben. Und es dauerte gar nicht mal sooo lange, bis ich zum Einsteigen nicht mehr zur Beifahrerseite lief oder beim Abbiegen die Scheibenwischer einschaltete... Tagsüber hatte ich somit meist mit Boss Lindsay, Kevin, Steve und später Shaun und Kosta Gesellschaft, abends mit Brit und Franziska und später auch mit Manuela und Andy, die auch bei der Konkurrenz zu arbeiten angefangen hatten. Es war toll, endlich mal wieder einen Kühlschrank zu haben, so gabs z. B. seit über neun Monaten mal wieder Butter! Die Arbeit war keine geistige Überforderung, aber als Pause genau richtig. Die wenigen freien Tage fuhr ich in die West und in die East Mac Donnell Ranges oder erledigte Sachen im Ort. Alice Springs war ein schöner Ort, überschaubar, mit einem großen 24-Stunden-Supermarkt und einer kleinen Fußgängerzone. Und immer traf man auf die abenteuerlichsten Wohnmobile oder hoch beladene, staubige Geländewagen, denn jeder, der in Australien die Küste verließ, fuhr früher oder später durch Alice Springs und war bis dahin quasi eine Strecke wie mindestens einmal quer durch Europa gefahren! Und Alice Springs war wohl die einzige Stadt in Australien, in der Roadtrains in der Stadt rumfuhren! Bei Apollo bogen sie immer aus dem Industriegebiet auf die Hauptstraße ab, eine ganz normale Straßenkreuzung. Ich stand immer da und schaute grinsend zu, wie die mit vier (!) Sattelaufliegern, also solche wie bei uns die 40-Tonner nur einen haben, um die Ecke bogen und wartete immer darauf, dass mal einer quer über die Verkehrsinsel oder in unseren Zaun schreddern würde. Das sollte aber nie passieren... Es war schön, mal wieder irgendwo erkannt zu werden, ein Pläuschchen zu halten, fast bald so wie ein Einheimischer... Aber soweit sollte es nicht kommen! Ich zwang mich, zum Zahnarzt zu gehen und regelte alles für meinen Flug Mitte Juni.

 

Nach drei Wochen Arbeiten empfand ich eine Pause für angemessen. Boss Lindsay sah das auch so und so baute ich mein Zelt ab und machte mich auf den Weg nach Süden, über den Stuart und den Lasseter Highway zum wohl bekanntesten Felsen Australiens, dem Uluru (Ayers Rock). Drei Tage später kam ich im zugehörigen Wüstenresort nahe des Heiligtums der Aborigines an. Zwar traurig, dass die meisten Touristen, die in Scharen von Bussen und Flugzeugen angekarrt wurden, nur einen Tag Zeit für Uluru und die nahen Kata Tjuta (The Olgas) hatten, aber gut für mich, weil ich so auf der Umwanderung des Felsens auf dem Base Walk hin und wieder sogar ganz alleine war. Vielleicht einfach nur ein Felsen, aber vielleicht eben auch nicht! Die Aborigines werden wissen, warum. Und nein, falls sich jemand diese Frage stellt, ich bin in Asien nicht auf Buddhastatuen gestiegen und bin auch nicht an Moscheen oder Kirchen rumgeklettert. Und natürlich bin ich auch nicht auf den Uluru geklettert... Zu den Kata Tjuta fuhr ich am nächsten Tag dann vom Resort aus per Anhalter. Jürgen aus Wien hatte ein Einsehen und hielt und wir wanderten dann auch gleich den ganzen Tag lang zusammen durch die beeindruckenden Felstürme. Zum Kings Canyon schaffte ich es dann in zwei anstrengenden Gegenwind-Tagen. Die bislang härteste Strecke Australiens stand mir aber dann auf dem Weg zurück nach Alice Springs bevor: Der Permit-pflichtige Mereenie Loop. Nur für Allradwagen empfohlen, ging es 200 km durch teils tiefen Sand, endloses Wellblech und groben Felskies durch Aboriginalland. Für Fahrräder und Motorräder gabs wohl eigentlich kein Permit. Ich bekam dann doch so halb eins, zwar mit Unterschrift, aber ohne Stempel. Den sollte ich bekommen, wenn ich die Fahrzeugdaten meines angeblich gemieteten Allradwagens bringen würde. Die hatte ich gerade nicht zur Hand, also startete ich einfach so und kämpfte mich zwei Tage wühlend und holpernd durch endlosen Sand und über Waschbrettpiste. Nach Hermannsburg gabs dann endlich wieder Asphalt und der brachte mich bei orkanartigem Gegenwind an meinem Geburtstag nach 1.160 km wieder zurück nach Alice Springs. Gut zehn Tage Arbeiten standen noch an, bevor es endlich weitergehen sollte. Inzwischen hatte ich genug von der Kälte. Tagsüber wurden es zwar immer über mindestens 20 Grad, aber nachts und morgens waren es meist 0 bis 5 Grad und die waren es dann auch im Zelt!

 

Wäre eigentlich alles soweit perfekt gewesen, wäre nicht der dumme dumme dumme Dauercamper Denis eine Woche vor meinem Abflug vermutlich besoffen mit seinem Auto über mein Zelt gefahren... Zum Glück hatte ich nicht dringelegen, zum Unglück war das Zelt aber hinüber. Nachdem er abends, als ich von der Arbeit kam, meine mehr als berechtigten Fluch- und Beschimpfungstiraden über sich ergehen gelassen hatte, meinte er, er würde ein neues Zelt bezahlen, was für mich ohnehin klar gewesen war! Anderenfalls hätte ich ihm wohl seinen Wohncontainer UND sein Auto in Einzelteile zerlegt! Das neue Zelt kam dann glücklicherweise zwei Tage später aus Sydney. Und was ich dem dummen dummen Denis natürlich nicht gesagt habe: Das Innenzelt war noch ok, ein Gestänge auch noch, bestellt haben wir trotzdem ein komplettes Zelt... So hab ich jetzt wenigstens ein paar Ersatzteile, falls mal wieder einer drüber fahren würde...

 

Mit Kosta und Shaun begoss ich dann zwei Tage vor meiner Abreise in Todd's Tavern ausgiebig meinen Abschied. Ja, noch zwei Tage bis zum Abflug! Wohin? Neuseeland wäre ich unheimlich gerne hingeflogen, aber zu dieser Jahreszeit wohl eher nur für masochistisch veranlagte Radler zu empfehlen. So stand fest, nach Südamerika! Und nach einigem Hin und Her hatte ich mich dann auch auf das Land festgelegt: nach Peru! Das an sich verursachte bei mir schon Vorfreude und Aufregung genug, doch der Knaller sollte erst noch kommen: Nach Durchforsten der unendlich langen Flugbedingungen stellte sich heraus, dass ich zwei kostenlose Stops einlegen könnte. Und ob ich das denn wolle? Na und ob, sagte ich nur! Warum? Weil ich so die unglaubliche Chance bekam, zum einen eine der paradiesischsten Gegenden der Erde und zum anderen den abgelegensten Ort der Erde zu besuchen! Und so sollte es zuerst für acht Tage in eines der teuersten Reiseziele überhaupt gehen, nach Tahiti, wo ich mich der Herausforderung stellen wollte, Tahiti, Moorea und Bora Bora auf dem Budget-Trip zu erkunden! Und dann sollte es für fünf Tage nach Rapa Nui gehen, der Osterinsel, dem Fleck der Erde, der am weitesten von einem anderen bewohnten Flecken Land dieser Erde entfernt war. Der Wahnsinn! Und ich war dementsprechend aufgeregt! Also Schluss mit Englisch, für eine Woche alles Französisch zusammenraffen und dann würde es ans während der letzten Wochen leider eher sporadisch gelernte Spanisch gehen.

 

Von Alice Springs aus flog ich nach Sydney und nach einer Nacht am Flughafen war meine Zeit in Australien vorbei und ich bestieg die Maschine von Air Tahiti Nui für den weiten Weg nach Osten!


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